1304 – 1374 Italien
In Übersetzungen von
I.
Ihr, die ihr hört in manch
zerstreuter Zeile
der Seufzer Ton, die mir das
Herz genähret
solang der erste Jugendwahn
gewähret,
da ich ein andrer war wie
jetzt zum Teile:
Von jedem, der erprobt der
Liebe Pfeile,
hoff’ ich, wenn ihm manch
wechselnd Blatt erkläret,
wie eitles Leid und Hoffen
mich verzehret,
wird nicht Verzeihn bloß,
Mitleid mir zuteile.
Wohl seh’ ich jetzt, wie ich
zu lange Zeiten
der Menschen Fabel war, und
muß entbrennen
vor Scham, wenn ich mich mahn’
an mein Versäumen.
Und Scham ist nun die Frucht
der Eitelkeiten,
und büßendes Bereu’n und klar
Erkennen,
das, was der Welt gefällt, ein
kurzes Träumen.
III.
Es war der Tag, wo man der
Sonne Strahlen
Mitleid um ihren Schöpfer sah
entfärben:
Da ging ich sorgenlos in mein
Verderben,
Weil eure Augen mir die
Freiheit stahlen.
Die Zeit schien nicht gemacht
zu Amors Wahlen,
Und Schirm und Schutz vor
seinem Angriff werben,
Unnötig; so begannen meine
herben
Drangsale mit den allgemeinen
Qualen.
Es fand der Gott mich da ohn
alle Wehre,
Den Weg zum Herzen durch die
Augen offen,
Durch die seitdem der Tränen
Flut gezogen.
Doch, wie mich dünkt,
gereichts ihm nicht zur Ehre:
Mich hat sein Pfeil in
schwachem Stand getroffen,
Euch, der Bewehrten, wies er
kaum den Bogen.
X.
Glorreiche Säul’, auf die sich
unsre Plane
und der Lateiner großer Name
bauten,
Die Jovis’ Zorn mit stürmisch
finsterm Grauen
noch niemals abgelenkt zu
irrem Wahne:
Hier nicht Paläste, Bühnen,
noch Altane,
nein Tannen, Buchen, Fichten,
von den Auen
bis zu des nahen schönen
Berges Brauen,
den dichtend ich mir auf und
nieder bahne,
erheben unsre Geister von der
Erden;
und dann die Nachtigall in
schatt’gen Ranken,
die alle Nächte süße Klag
anstellet,
beladet unser Herz mit
Liebsgedanken.
So groß Gut muß nur
unvollkommen werden,
weil du von uns, mein Herr,
dich abgesellet.
XIII.
Der grau und weiße Alte läßt
die Schranken
des süßen Orts, der immer ihn
umgeben,
und die Familie, die in Not
muß schweben,
da sie den teuren Vater sieht
erkranken.
Dann schleppt er den bejahrten
Leib mit Schwanken
die letzten Tagereisen durch
im Leben;
hilft sich, so viel er kann,
mit will’gem Streben,
von Jahren mürbe, wenn die
Tritt ihm wanken.
Und kommt nach Rom, befolgend
das Verlangen,
des Abbild zu betrachten, den
er droben
einst noch zu sehn hofft in des
Heils Gefilde.
So, Herrin, bin ich Armer wohl
gegangen,
an andern suchend, so viel
möglich, Proben
von dem begehrten wahren eurem
Bilde.
XIX.
Es gibt Geschöpfe, welche
nicht erblinden,
Obwohl sie stolz der Sonne
schau’n entgegen;
Andre, die abends nur hervor
sich regen,
Weil schmerzlich sie das
starke Licht empfinden.
Als müsse Lust sich mit dem
Glanz verbinden,
Lockt andre noch das Feu’r,
bis sie verwegen
Der andern Kraft, der, welche
brennt, erlegen.
Ich leider muß in dieser Schar
mich finden.
Denn dieser Frau’n Lichthelle
zu bestehen,
Bin ich nicht stark; und mir
zum Schutze taugen
Nicht düstre Winkel oder späte
Stunden.
So führt mit tränenvollen
kranken Augen
Mich mein Verhängnis immer,
sie zu sehen,
Und ich weiß wohl, ich suche
meine Wunden.
XXI.
Viel tausendmal, o süße
Kriegerinne,
bot ich mein Herz euch dar,
damit mir Frieden
von euren schönen Augen wär’
beschieden;
doch ihr seht drüber hin mit
stolzem Sinne.
Und hofft ein andres Weib, daß
sie’s gewinne,
so ist sie von der Wahrheit
ganz geschieden.
Mein, weil ich muß verschmähn,
was ihr gemieden,
kann es nicht mehr so sein wie
vom Beginne.
Verjag’ ich’s nun, und in dem
Bann erduldet
es euch Härte, kann allein
nicht bleiben
noch hingehn auch, wo man ihm
Zuflucht gibet:
Da möcht es ganz aus seiner
Laufbahn treiben;
dann hätten wir es beide
schwer verschuldet,
ihr aber aber um so mehr, je
mehr’s euch liebet.
XXXIV.
Apollo, lebet noch dein hold
Verlangen,
Das an thessal’scher Flut die
blonden Haare
In dir entflammt, und ist’s im
Lauf der Jahre
Nicht unter in Vegessenheit
gegangen:
Vor Frost und Nebeln, welche
feindlich hangen,
So lang’ sich uns dein Antlitz
birgt, das klare,
Jetzt dieß geehrte heil’ge
Laub bewahre,
Wo du zuerst und ich dann ward
gefangen.
Und durch die Kraft von dem
verliebten Hoffen,
Das in der Jugend nicht dich
ließ vergehen,
Laß, von dem Druck befreit,
die Luft erwarmen.
So werden wir, von Staunen
froh getroffen,
Im Grünen unsre Herrin sitzen
sehen,
Und sich beschatten mit den
eignen Armen.
LXXVII.
Ob Polyklet, und wen die Kunst
noch priese,
wetteifernd schaute, würd’ in
tausend Jahren
er nicht der Schönheit
kleinsten Teil gewahren,
womit mein Herz hat überwunden
diese.
Gewiß, mein Simon war im
Paradiese,
woher die Hohe kam aus sel’gen
Scharen,
entwarf ihr Bild, und wollt’
uns offenbaren,
wie dort ihr schönes Antlitz
sich erwiese.
Das Werk ist, wie, von
Himmelslicht erhellet,
der Geist es bildet; nicht auf
ird’schen Fluren,
wo sich des Leibes Hüll
entgegenstellet.
Huld schuf, und konnt’ es nur,
eh zu Naturen,
die Frost und Hitze trifft, er
sich gesellet,
und seine Augen Sterbliches
erfuhren.
XC.
In tausend kleine Ringel von den Winden Verwickelt, flog der Haare lichtes Gold; Die Augen blitzten unaussprechlich hold, Und schienen rings den Aether zu entzünden. Die Mienen sprachen sanftes Mitgefühl, Wo nicht des Wunsches Gaukeley mich täuschte. Ich, dessen Brust schon lange Liebe heischte, Was Wunder, wenn ich in die Schlinge fiel? Sie wandelte mit einer Göttin Gange, Und ihre Rede riß mit Himmelsklange Mich über erd’ und Sterblichkeit empor, Nichts kam ihr gleich auf diesem Erdenrunde; Und wenn sie auch an Zaubermacht verlor: Heilt Abspannung des Bogens je die Wunde? |
Die goldnen Haare mit der Luft sich schwangen, Die sie in tausend süße Schlingen legte, Und ohne Maß das holde Licht sich regte Der Augen, die zu geizen angefangen. Es dünkte mich, als ob in ihren Wangen Des Mitleids Farbe leise sich bewegte: Ich, der im Busen Liebeszunder hegte, Was Wunder, wenn ich plötzlich Feu’r gefangen? Ihr Wandeln war nicht aus dem ird’schen Reiche, Nein, Engels-Art; und ihrer Worte Wonne Scholl anders wie von eines Menschen Munde. Ein Geist des Himmels und lebend’ge Sonne War was ich sah: und wär’s nicht mehr das Gleiche: Kein abgespannter Bogen heilt die Wunde. |
XCII.
Wehklagt, ihr Frau’n! Mit euch
wehklage Liebe!
Wehklagt, ihr Liebenden, in
allen Landen!
Weil tot ist der mit Fleiß dem
vorgestanden,
wie lebenslang er euch zu
Ehren schriebe.
Ich bitte, meinem bittern
Schmerz geliebe,
daß Tränen mir von ihm sei’n
zugestanden,
und lasse mir die Seufzer
nicht abhanden,
so viel vonnöten meines
Herzens Triebe.
Wehklagen auch die Vers und
Liederreime,
sintemal unser minnigliche
Meister
Cino von hinnen neuerdings
gegangen.
Pistoja klag, und die
verkehrten Geister,
wo solch ein süßer Bürger war
daheime,
und freu’ der Himmel sich, der
ihn empfangen.
CVII.
Nichts kann, ich seh’s, mich
retten vom Vernichten,
da mich die schönen Augen so bekriegen,
daß ich besorg’, das Herz muß
bald erliegen
den wilden Schmerzen, die’s
zugrunde richten.
Gern woll’t ich vor den
Liebesstrahlen flüchten,
die Tag und Nacht mir im
Gemüte liegen;
doch sichrer konnten sie
zuerst nicht siegen,
als sie nach fünfzehn Jahren
mich verpflichten.
Ihr Abbild ist so mannigfach
verstreuet,
daß ich mich überall von ihrem
Scheine
bestrahlt seh’ oder dem, den
sie entzünden.
Ein einz’ger Lorbeer wird zum
dichten Haine,
wo mich zu führen sich mein
Gegner freuet,
mit zauberischer Kunst nach
Gutbefinden.
CXXIII.
Die Blässe, so die engelholden
Mienen
Mit einem Abendwölkchen
überzog,
War kaum in stiller Würde mir
erschienen,
Als schon mein Herz auf meine
Lippen flog.
Mir schien ihr Herz sich so zu
offenbaren,
Wie dort vor Gott Verklärte
sich durchschaun;
Doch keiner würd auf meine
Rede baun,
Tät ich es kund, was da mein
Geist erfahren.
Sie lächelte mir sittsam, lieb
und mild;
Des schönsten Weibes sanfteste
Gebärden
Sind gegen solch ein Lächeln
rauh und wild.
Sie neigte wehmutsvoll die
Stirn zur Erden
Und schwieg; doch fragte mich
ihr leiser Blick:
Geliebter Freund, wann kehrest
du zurück?
CXXXVIII.
Der Trübsal Born! Herberge du dem Grimme!
Schule des Wahns! Tempel der
Ketzereien!
Sonst Rom, jetzt Babel, falsch,
zu maledeien,
um welche schallt so manche
Jammerstimme!
O Truges Schmied! O Kerker,
wo das Schlimme,
derweil das Gute stirbt, nur
kann gedeihen!
Lebend’ge Höll’! Ich will’s
ein Wunder zeihen,
ob Christus nicht zuletzt auf
dich ergrimme.
In keusch demüt’ger Armut
erst gegründet,
hebst du die Hörner nun,
schamlose Metze,
auf deine Gründer? Worauf
steht dein Hoffen?
Auf deine Buhlen, schlecht
erworbnen Schätze?
Nicht Konstantin kommt
wieder, doch verbündet
nehm’ es die trübe Welt, die
dies betroffen.
CXLVI.
O in dem Schmucke glühnder
Tugend heiße,
verklärte Seele, die kein
Lied entsiegelt!
O Sitz der Zucht, so
unentweiht verriegelt!
Turm, fest erbaut nach hohen
Muts Geheiße!
O Flamm! O Rosen, auf der
süßen Weiße
des Schnees verstreut, der
reinigend mich spiegelt!
O Lust, die zu dem Antlitz
mich beflügelt,
dem keines gleich strahlt, wo
die Sonn auch gleiße!
Mit eurem Namen, wenn so weit
verstanden
die Reime würden, füllt’ ich
Bactrien, Thule,
Tanais, Nil, Atlas, Olymp und Calpe.
Da ich um derer Ohr
vergeblich buhle,
soll man ihn hören in den
schönen Landen,
die Apennin teilt, Meer
umgibt und Alpe.
CLV.
Es wird mein Schiff, beladen
mit Vergessen,
Im Winter, Mitternachts, auf
rauhen Wogen,
Durch Skylla und Charybdis
hingezogen;
Am Steuer ist mein Herr, mein
Feind, genesen;
Gedanken an den Rudern, die
vermessen
Sich, wie es scheint, selbst
auf den Sturm getrogen;
Die Segel reißend, kommt ein
Wind geflogen,
Den Seufzer, Hoffnung, Wunsch
ewig erpressen.
Des Zürnens Nebel, Tränenregen
feuchtet
Die schlaffen Taue, bis sie
gar verdorben,
Gedreht aus Irrtum und
unkund’gen Zweifeln.
Die beiden Sterne fliehn, die
sonst geleuchtet,
Vernunft und Kunst ist in der
Flut erstorben,
Daß ich anfang’ am Hafen zu
verzweifeln.
CLVI.
Ich sah der höchsten
Schönheit zarte Blüte,
den Reiz, der meine Sinne so
verwirrt,
daß alles sonst mir Traum und
Schatten wird,
gepaart mit Sittenhuld und
Engelgüte;
und sah, von stummer Wehmut
wie berauscht,
ihr helles Aug im Tau der
Tränen schwimmen.
Ach Wald und Waldstrom hätte
wohl gelauscht
bei ihren Reden, ihren
Klagestimmen!
Denn Weisheit, Seelenadel,
Lieb und Gram
verbanden da harmonisch sich
zu Weisen,
die nimmer noch die welt so
süß vernahm.
Es hallte nach in allen
Himmelskreisen;
es säuselte kein Blatt an
Busch und Baum,
nur Melodie durchfloß der
Lüfte Raum.
CLXXXIII.
Woher nahm Liebe Adern Golds,
zu weben
Zwei blonde Flechten? und von
welchen Büschen
Die Rosen? und von welchen
Au’n den frischen
und zarten Reif, und gab ihm
Puls und Leben?
Woher die Perlen, wo gezügelt
schweben
Die süßen Wort’, und sittsam
fremd sich mischen?
Woher die Fülle alles
Zauberischen
Der Stirne, wie der Himmel
klar und eben?
Von welchen Engeln und aus
welchen Sphären
Hat sie den himmlischen
Gesang entnommen,
Der so mich schmelzt, daß
wenig bleibt zu schmelzen?
Aus welcher Sonn’ ist mild
und stolz entglommen
Der Augen Licht, die Fried’
und Krieg gewähren,
Die mir das Herz in Eis und
Feuer wälzen?
CLXXXIX.
Es wird mein Schiff, beladen
mit Vergessen,
im Winter, mitternachts, auf
rauhen Wogen,
durch Scylla und Charybdis
hingezogen;
am Steuer ist mein Herr, mein
Feind, gesessen;
Gedanken an den Rudern die
vermessen
sich, wie es scheint, selbst
auf den Sturm getrogen;
die Segel reißend, kommt ein
Wind geflogen,
den Seufzer, Hoffnung, Wunsch
ewig erpressen.
Des Zürnens Nebel,
Tränenregen feuchtet
die schlaffen Taue, bis sie
gar verdorben,
gedreht aus Irrtum und
unkund’gen Zweifeln.
Die beiden Sterne fliehn, die
sonst geleuchtet,
Vernunft und Kunst ist in der
Flut erstorben,
daß ich anfang’ am Hafen zu
verzweifeln.
CXCIII.
Wenn ich den Geist an diesem Anblick weide, Wo er, in Allvergessenheit getaucht, Das lieblichste Nepenthe in sich saugt, So reizt mich kein Ambrosia zum Neide; Und tönt die milde Rede meinem Ohr, Um ewig mir im Innern nachzutönen, So reißt mich namenlose Lieb’ empor, Und zaubert mich zum Urquell alles Schönen. Entzückend kläng’ aus ihrem holden Mund Ein Wort der Liebe selbst in Engelchören. Wer’s fassen will, der komm’, es anzuhören! Denn glorreich wird an ihr das Höchste kund, Was einer sterblichen Natur hienieden Kunst, Weisheit, Macht und Gnade je beschieden. |
Die Seele weid’ ich an so edler Gabe, ich mag den Nektar Jovis nicht gewinnen; vom Schaun bloß taut Vergessen in die Sinnen, daß ich im Lethe trinkend mich begrabe. Oft hör’ ich Dinge, und ins Herz sie grabe, darob ich nie dem Seufzen kann entrinnen; ich kost’, entrückt durch Liebeshand von hinnen, in einem Angesicht zwiefache Labe. Die Stimme, die zum Himmel weiß zu schweben, tönt Worte, holder, teurer, wie wohl meinet, wem sie zu hören nimmer war gegeben. In kleinerm Raum als einer Spann erscheinet dann sichtbarlich, wie weit in diesem Leben sich Kunst, Weisheit, Natur und Himmel einet. |
CCXIX.
Der Vögel Klagen und Gesänge
schwellen
Vor Tage, daß die Tale
widerhallen,
Und das Gemurmel flüssiger
Kristallen
Hinab in klarer Bäche raschen
Fällen.
Sie, Schnee im Antlitz, Gold
des Haares Wellen,
Die, ohne Falsch, der Lieb nie
abgefallen,
Läßt kämmend ihres Greises
Flocken wallen,
Und weckt mich, wie sich Ton
und Tanz gesellen.
Auroren grüß ich, und die Sonn
im Bunde
Mit ihr, doch mehr die andre,
die erblinden
Mich frühe ließ, wovon ich nie
gesunde.
Ich sah sie manchmal beide sich
verbinden
Bei ihrem Aufgang und in
gleicher Stunde
Vor der die Stern, und die vor
ihr verschwinden.
CCXX.
Wo nahm der Liebesgott das Gold so fein, Um dieses blonde Flechtenpaar zu weben? Wo brach er diese Rosen? Wo im Hain Den Blütenschnee, und gab ihm Puls und Leben? Wo fand er dieses Mundes Perlenreihn, In denen Sittsamkeit die Worte zügelt? Wie formt’ er diese Stirn, wo himmlisch rein Sich ihres Geistes milde Hoheit spiegelt? Aus welchen Sphären hat er sie geliehn, Der zaubervollen Stimme Melodien, Bey welchen längst mir Kraft und Leben schmolzen? Von welcher Sonne senkt’ er in die stolzen Geliebten Augen diesen schönen Strahl, Der Glut und Frost mir gibt, und Wonn’ und Qual? |
Woher nahm Liebe Adern Golds, zu weben zwei blonde Flechten, und von welchen Büschen die Rosen, und von welchen Au’n den frischen und zarten Reif und gab ihm Puls und Leben? Woher die Perlen, wo gezügelt schweben die süßen Wort und sittsam fremd sich mischen? Woher die Fülle alles Zauberischen der Stirne, wie der Himmel klar und eben? Von welchen Engeln und aus welchen Sphären hat sie den himmlischen Gesang entnommen, der so mich schmelzt, daß wenig bleibt zu
schmelzen? Aus welcher Sonn ist mild und stolz entglommen der Augen Licht, die Fried und Krieg gewähren, die mir das Herz in Eis und Feuer wälzen? |
Die Blässe, so die
engelholden Mienen
Mit einem Abendwölkchen
überzog,
War kaum in stiller würde mir
erschienen,
Als schon mein Herz auf meine
Lippen flog.
Mir schien ihr Herz sich so
zu offenbaren,
Wie dort vor Gott Verklärte
sich durchschaun;
Doch keiner würd’ auf meine
Rede baun,
Thät’ ich es kund, was da
mein Geist erfahren.
Sie lächelte mir sittsam,
lieb und mild;
Des schönsten Weibes
sanfteste Geberden
Sind gegen solch ein Lächeln
rauh und wild.
Sie neigte wehmuthsvoll die
Stirn zur Erden
Und schwieg; doch fragte mich
ihr leiser Blick:
O lieber Freund! wann kehrest
du zurück?
CCXXII.
Ihr Frau’n, die ihr euch im
Gespräch ergehet,
froh und nachdenklich, einsam
und umgeben:
O sagt, wo ist mein Tod, wo
ist mein Leben?
Wie kommt’s, daß ihr nicht
unter euch sie sehet? –
„Froh sind wir, weil sie im
Gemüt uns stehet,
doch um die süße Näh dem Gram
ergeben,
die Neid uns raubt und
eifersüchtig Streben,
das andrer Gut als eignes
Übel schmähet.“ –
Wer legt wohl Bande denen an,
die lieben? –
„Der Seele Niemand; Härt und
Zorn dem Leibe,
wie es sie jetzt und manchmal
uns wohl kränket.
Doch auf der Stirn ist oft
das Herz geschrieben.
Wir sahn umwölkt sie an dem
hohen Weibe,
und ihre Augen ganz von Tau
getränket.“
CCXXXIV.
O Kämmerlein, das sonst
gedient zum Porte
für meine schweren Stürm in
Tagesstunden!
Nun wirst du nächt’ger Tränen
Brunn erfunden,
wenn ihnen Scham am Tag verschließt
die Pforte.
O Bettchen, mir die Not zu
Ruh und Horte!
Wie trübe Urnen läßt dich
Lieb erkunden!
Sie baden dich, von weißer
Hand entbunden,
die grausam mir allein um
eitle Worte.
Und nicht bloß meine
Heimlichkeit und Stille
flieh’ ich; nein, mehr mich
selbst und den Gedanken,
der mich im Fluge zwingt, ihm
nachzugehen.
Dem Pöbel, der mein Feind und
Widerwille,
wer dächt’ es wohl, muß ich
um Zuflucht danken,
solch Grauen hab’ ich, mich
allein zu sehen.
CCXLV.
Im Paradies gepflückt ein
frisch Paar Rosen
vorgestern früh am ersten
Mai, zum Preise
von einem Liebenden, bejahrt
und weise,
zwei jüngern ausgeteilt zu
gleichen Losen,
mit einem Lächeln und so
süßem Kosen,
daß Wildheit lernen müßte
zarte Weise,
entzündete mit Liebesstrahlen
leise
der beiden Angesicht, die er
erkosen.
„Kein liebend Paar wie dies
erblickt die Sonne“,
sprach er, zugleich mit
Seufzen und mit Lächeln,
und wandt’, umfassend, beiden
sich entgegen.
So teilt’ er seiner Wort und
Rosen Wonne,
die noch das Herz mit banger
Freude fächeln.
O froher Tag! Beredsamkeit
voll Segen.
CCLI.
O wehevolles, grauses Nachtgesicht! So ist es wahr, was Ahnungen mir drohten? So ward auch Ihr der Todeskelch geboten, Die meines Lebens Seele war und Licht? wie aber? hallen erd’ und Himmel nicht? Und eilen Engel nicht als Trauerboten? – Vielleicht! Vielleicht! – Ihr Lebenden und
Todten, Erbarmt euch, gebt mir froheren Bericht! Ah, süße Hoffnung, laß mich noch dich nähren! Wie konnte Gott, der sie so herrlich schuf, Sein schönes Wunder vor der Zeit zerstören? Doch folgte sie dem himmlischen Beruf, Und grüß’ ich nie ihr holdes Antlitz wieder, So fall’ auch mir des Lebens Vorhang nieder! |
O kläglich und entsetzliches Gesichte! So müßte denn sich vor der Zeit verzehren das milde Licht, zu dem, froh es zu ehren, in Pein und Hoffnung ich mein Leben richte? Doch wie, daß nicht vom großen Fall Berichte erschollen, sie nicht selbst mich will belehren? O möge Gott und die Natur es wehren, und werde mein betrübter Wahn zunichte. Ja, dennoch hoff’ ich daß mir einst noch glücket den Blick des holden Angesichts zu teilen, das mich erhält und dies Jahrhundert schmücket. Doch hat sie, um zum ew’gen Sitz zu eilen, sich ihrem schönen Wohnhaus schon entrücket, so bet’ ich, mag mein letzter Tag nicht weilen. |
CCLXIX.
Die hohe Säule brach, der
Lorbeer dorrte,
die meinem müden Geiste
Schatten gaben.
Nichts Gleiches ist von Nord
bis Süd zu haben,
vom ind’schen Meere bis zu
Herkuls Pforte.
Du nahmst mir, Tod, mit
strengem Herrscherworte
den Doppelschatz, der stolz
mich konnte laben.
Nicht Land, noch Herrschaft,
noch die reichen Gaben
des Orients helfen mir zu
meinem Horte.
Doch wenn es also das
Verhängnis lenket,
was kann ich mehr, als stets
mit trüben Sinnen,
mit feuchten Augen gehn, die
Stirn gesenket?
O unsers Lebens täuschendes
Beginnen!
Wie leicht verliert ein
Morgen, eh man’s denket,
was mühsam viele Jahre kaum
gewinnen!
CCLXXX.
Nie weilt ich noch in so
geheimen Gründen!
Hier klag’ ich unbelauscht
den Felsenklüften,
wenn Ahndungen süßtäuschend
mich umwinden,
mein Leben leb’ allhier in
Himmelslüften.
Hier haucht Vergessenheit in
allen Düften,
den matten Geist des Grames
zu entbinden.
In Paphos myrtumflochtnen
Wonnegrüften
kann Liebe kein so holdes
Lager finden.
Mich dünkt, als ob aus Bäumen
und aus Bächen
hier Fische, Vögel, Blüten zu
mir sprechen:
Geneuß und lieb’ und
schmachte nicht im Mangel!
Du aber, die dort oben Palmen
krönen,
o bete du, daß ich sie mag
verhöhnen,
die falsche Welt und ihre
süßen Angeln!
CCLXXXI.
Wie oft von innern Stürmen
heimgesucht,
flieh ich mich selbst in
dieser stillen Bucht,
wo ich mit Seufzern rings die
Luft belade,
und Wang und Brust mit meinen
Tränen bade!
Und oh, wie oft, von leisem Graun
erfüllt,
von dieser Haine brauner
Nacht umfangen,
hab’ ich der Todesahnung
nachgehangen,
die mir allein die tiefe
Sehnsucht stillt!
Dann seh’ ich bald den
flüssigen Kristallen
der Sorga sie, in lebender
Gestalt,
mit Nymphenwuchs und
Nymphengang entwallen.
Bald schwebt sie durch die
Wiesen, ruhet bald
am Blumenufer mit bewölkter
Stirne,
als ob sie über mich voll
Liebe zürne.
CCXCIV.
Sie lebte schön im Herzen
mir, geehret,
wie hohe Fraun an niedrer
Stätte weilen;
nun ward ich durch ihr letztes
Von-uns-Eilen
nicht sterblich nur, nein
tot, und sie verkläret.
Die Seel, all ihr Gutes
ausgezehret,
Lieb, ihres Lichts beraubt
und bloß; mit Keilen
des Mitleids könnten Felsen
sie zerteilen:
Doch keiner ist, der’s
schreibet noch erkläret.
Denn innen jammern sie, wo
aller Ohren
taub, außer meins; dem in des
Grams Ermatten
nichts andres mehr als
Seufzen bleibet offen.
Wahrhaftig sind wir alle
Staub und Schatten,
wahrhaftig ist der Wille
blind verloren,
wahrhaftig trügerisch ist
unser Hoffen.
CCCIII.
Liebe, die du oft an diese Quellen Dem Geräusch der Welt mit mir entflohst, Um durch Worte, voll von süßem Trost, Meine Brust mit Wonn’ und Muth zu schwellen! Lichte Hügel! Dunkle Ruhestellen! Grotten! Haine! Felsen, grau bemoos’t! Sänger, die ihr in den Wipfeln kos’t! Blumen, Büsche! Winde! Murmelwellen! Du verschloßnes Thal, in dessen Schooß Ich der heißen Sehnsucht oft entronnen, Und Gesang zur Lindrung mir ersonnen! Wißt! mein Heil war überschwenglich groß: Aber schnell verloschen meine Sonnen. Also fiel bey der Geburt mein Loos. |
Lieb, in der guten Zeit
sonst mein Geselle an diesen, unserm Sinn
gewognen Bächen, wo, unsre alten Zwiste zu
besprechen, du wandeltest mit mir und
mit der Quelle! Laub, Blumen, Schatten, Höhlen,
Luft und Welle, Tal-Klausen, hohe Hügel,
sonn’ge Flächen, Port, meine Liebesmühn zu
unterbrechen und meines Glücks so viel
und schwere Fälle! O flücht’ge scharen in dem
Buschgeflüster! O Nymphen! Ihr dann, die im
moos’gen Grunde erziehn und weiden flüssige
Kristallen! Hell waren meine Tag und
sind nun düster wie Tod, der dieses
schafft. In erster Stunde ist jeglichem sein Los also
gefallen. |
CCCXII.
Nicht Sterne, die sich reg’
am Himmel schwingen
noch Schiffe, gleitend auf
den stillen Wellen,
noch Ritter, die bewehrt im
Feld sich stellen,
noch durch die Büsche muntern
Wildes Springen;
noch neue Botschaft von
erwünschten Dingen,
noch hoher Reden Zier von
Liebesfällen,
noch auf den grünen Au’n, an
klaren Quellen,
sittsamer Fraun und schöner
süßes Singen:
Nicht ist, was mir das Herz
zur Freude wende;
so wußt’ es mit sich zu
begraben jene,
die einzig Licht und Spiegel
war den Augen.
Gedrückt vom Leben, ruf’ ich
nur sein Ende,
weil ich nach ihrem
Wiedersehn mich sehne,
die nie zu sehn mir besser mochte
taugen.
CCCXXIX.
O Trennungstag! o Stund'! o Augenblick!
O Sterne, grausam wider mich verschworen!
Nun seh' ich's ein: Du letzter Liebesblick
Weissagtest mir, ich sey zum Weh erkoren.
"Noch ist das Wiedersehn
dir nicht verloren,
Noch schonet dich das waltende Geschick;"
So flüsterte mir Hoffnung in die Ohren.
Doch Spreu am Wind' ist Menschentrost und Glück.
Viel anders war es droben
schon beschlossen,
Nur über mich war Finsterniß ergossen,
Daß ich nicht sah, was helle vor mir stand.
Geschrieben war in ihren sanften Zügen
Das bittre Loos; ich hab' es nicht erkannt,
Um plötzlicher dem Grame zu erliegen.
CCCXXXVI.
Es kommt mir ins Gemüt –
vielmehr vergehen
kann nie, was Lethe selbst
nicht tilgt: - ihr Bilde,
wie ich sie sah auf blühndem
Lenzgefilde
in ihres Sternes Strahlen
leuchtend stehen.
So ganz erschien sie mir beim
ersten sehen,
schön, still, in sich
gekehrt, so gleicher Milde;
daß ich „sie ist es selbst“
ganz ein mir bilde,
„sie lebt noch“ und um Rede
sie muß flehen.
Bald gibt und bald verweigert
sie mir Kunde,
ich, wie ein Mensch, der
irrt, sich dann verwundert,
spreche zum Herzen: „Herz, du
bist im Fehle:
Du weißt, vierzig und acht
nach dreizehnhundert
am sechsten Tag Aprils, zur
ersten Stunde,
schied aus dem Leibe diese sel’ge
Seele.“
CCCXXXVII.
Des Duft und Farbe überwand
die Zonen
des Morgenlands, so hell und
duftbegabend;
Frucht, Blüte, Kraut und
Laub; der unserm Abend
verlieh der seltnen
Trefflichkeiten Kronen;
mein süßer Lorbeer, jeder
Schönheit Thronen
und jeder glühnden Tugend in
sich habend,
sah, sittsam sich in seinem
Schatten labend,
mit meinem Herrscher meine
Göttin wohnen.
Auch ich dann baut’ in dieser
Segenspflanze
heil’ger Gedanken Netz; in
Frost und Glühen
war ich der Hochbeglückten
dennoch einer.
Die Welt war voll von ihrer
Ehren Glanze,
da nahm, zur Zier des Himmels
zu erblühen,
sie Gott zurück; und würdig
war sie seiner.
CCCLI.
Gelinde Härten, süße
Weigerungen
voll vom Erbarmen keuscher
Lieb und Güte;
anmut’ges Zürnen, das zu wild
entglühte
verkehrte Wünsch (ich fühl’s
nun wohl) bezwungen.
Gefäll’ges Reden, worin hell
erklungen
mit höchster Huld das
sittsamste Gemüte;
Brunnquell der Schönheit und
der Tugend Blüte,
die jeden niedern Trieb der
Brust entrungen;
göttlicher Blick, beseligend
auf Erden,
bald stolz, zu zähmen das
verwegne Streben,
die Schranke des Versagten zu
gefährden,
bereit zum Trost bald meinem
schwachen Leben:
Dies schöne Wechseln mußte
Wurzel werden
von meinem Heil, sonst war es
aufgegeben.
CCCLIII.
Holdselig Vöglein, welches
singend gehet,
vielmehr beklagend die
vergangen Zeiten,
da jetzo Nacht und Winter dir
zur Seiten
und Tag und lust’ger Mai im
Rücken stehet!
Wenn, wie du weißt, was über
dich ergehet,
du wüßtest welche Nöten mich
bestreiten,
du kämst, den Herzensjammer
zu begleiten,
zum Schoß des Armen, der um
Trost hier flehet.
Ich weiß nicht, ob uns
Gleiches würde paaren.
Die lebt vielleicht, um die
du scheinst zu klagen,
was an mir geizig Tod und
Himmel sparen.
Doch lockt in diesen
unwillkommnen Tagen
Erinnerung von süß und
bittern Jahren
mich an, dir meine wehmut
vorzusagen.